Die Flüchtigkeit der Macht

Wir wollen die Kontrolle über die Zukunft. Erst wenn wir wissen, was als Nächstes kommt, können wir uns entspannen. Die Macht über das ungewisse Morgen ist jedoch flüchtig und schlussendlich eine Illusion.

Wir lieben Kontrolle. Das zeigen die Forschungen der renommierten, amerikanischen Gesundheitspsychologin Dr. Elissa Epel. Laut der Professorin der Universität von Kalifornien, San Francisco (UCSF) müssen wir verstehen lernen, wie wenig Kontrolle wir über die kommenden Entwicklungen tatsächlich haben. Und wie viel Ungewissheit und Unsicherheit es gleichzeitig immer geben wird. Wer mit diesem Zwiespalt gut umgehen kann und sich vielleicht sogar wohl damit fühlt, ist stressresilienter als andere. [1]

Beim Investieren zeigt sich, wie wenig Kontrolle wir über die Zukunft haben. Meteorolog:innen haben zumindest bei 3-Tage-Wettervorhersagen gute Trefferquoten. Wir Geldanleger:innen müssen oft auch bei kurzen Zeitspannen leider passen. 

Resignation ist trotzdem nicht angebracht, denn es geht gar nicht darum, die Zukunft vorherzusehen. Viel wichtiger ist es, die vorhandenen Informationen richtig einzuschätzen. Die Prognose, wie stark der Umsatz eines Unternehmens in den nächsten 10 Jahren wachsen wird, rückt dabei in den Hintergrund. Viel wichtiger sind aktuelle Marktposition, Wettbewerbsvorteile, Preissetzungsmacht, Bilanzqualität, Fähigkeit und Integrität des Managements und das kompetitive Umfeld. 

Im Auge des Betrachters

Sie sehen schon, über all diese Dinge in der Tiefe Bescheid zu wissen, ist eine riesige Herausforderung, die Zeit und Energie benötigt. Besonders stressig wird es dann, wenn man alle qualitativen Informationen in Relation zum gehandelten Börsenpreis des Unternehmens setzen muss. Auf die Frage „Kaufe ich aktuell günstig oder teuer?“, gibt es keine richtige Antwort. Die Entscheidung liegt immer im Auge des Betrachters. 

Niemand hat alle Informationen. Bei der Geldanlage geht es vielmehr darum, ausreichend Datenpunkte zu sammeln, um eine auf Erfahrung basierende Annahme zu treffen. Der Schritt hin zu einer Kauf- oder Verkaufsentscheidung ist immer ein Schritt in die Ungewissheit. Nur Investoren, die diese Unsicherheit tolerieren können, werden sich am Börsenparkett wohlfühlen und erfolgreich sein. 

Dr. Epel empfiehlt uns, Ungewissheit für uns selbst neu zu definieren. Als die Schönheit des Lebens und die Freiheit, dass wir das Morgen gerade eben nicht kontrollieren können. 

[1] Den gesamten „Huberman Lab“-Podcast mit Dr. Elissa Epel finden Sie hier (in englischer Sprache).